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St. Petersburger Kammerphilharmonie, Juri Gilbo
Ulrich Tukur (Rezitation)
Nora Friedrichs (Sopran)

Ludwig van Beethoven (1770-1827)

Bühnenmusik zu Goethes »Egmont« (1809)
– Ouvertüre. Sostenuto, ma non troppo – Allegro
– Lied: Die Trommel gerühret
– Zwischenakt 1: Andante
– Zwischenakt 2: Larghetto
– Lied: Freudvoll und leidvoll
– Zwischenakt 3: Allegro-Trio
– Zwischenakt 4: Poco sostenuto e risoluto
– Musik, Clärchens Tod bezeichnend: Larghetto
– Melodram Poco sostenuto
– Siegessymphonie: Allegro con brio

Symphonie Nr. 3 Es-Dur »Eroica« (1802-04)
I. Allegro con brio
II. Marcia funebre. Adagio assai
III. Scherzo. Allegro vivace – Trio
IV. Finale. Allegro molto – Poco andante – Presto

 

Symphonische Maßstäbe setzte Beethovens 3. Symphonie, die »Eroica«. Und auch inhaltliche, geht es doch darin um den Kampf um Freiheit und Demokratie. Ein immer noch sehr aktuelles Thema, zu dem die Bühnenmusik zu Goethes »Egmont« wunderbar passt.

 

Bühnenmusik zu Goethes »Egmont« (1809)
Ludwig van Beethoven schrieb die Schauspielmusik zu »Egmont«, Goethes 1789 in Mainz uraufgeführtem Drama über den Freiheitshelden der Niederlande, 1809 im Auftrag des Wiener Burgtheaters. »Ich habe den Egmont bloß aus Liebe zum Dichter geschrieben«, so der Komponist, »und habe auch, um diese zu zeigen, nichts dafür von der Theaterdirektion genommen.« Die © Foto: St. Petersburger KammerphilharmonieUraufführung fand im alten Wiener Burgtheater am 15. Juni 1810 statt – in der dritten Aufführung, denn bei der Premiere war Beethoven mit seiner Komposition noch nicht fertig. Die verbindenden Texte für die Konzertfassung schrieb 1821 ein gewisser Friedrich Mosengeil, durchgesetzt hat sich allerdings die erst 1834, nach dem Tod beider Autoren, entstandene Version des »österreichischen Klassikers« Franz Grillparzer, welche auch die Grundlage für Ulrich Tukurs Fassung bildet. Die Ouvertüre fasst Egmonts zum Tod führenden Kampf wirkungsvoll zusammen. Die Freiheit muss durch Taten errungen werden, so lautet Beethovens zentrale Aussage. Die Gesänge des Klärchens, Egmonts unglücklicher Liebe, können auch als frühe Beispiele von stimmungsvollen Orchesterliedern gelten und haben sich im Konzertalltag verselbständigt. Eher selten ist die komplette Bühnemusik zu hören. Auf vier Zwischenaktmusiken folgt ein durchkomponiertes Finale, bestehend aus einem trauervollen Larghetto zum Tod Klärchens, einem emphatischen Melodram Egmonts im Kerker und einer »Siegessymphonie«, die mit Glorie den Traum des tragischen Helden von Freiheit und Glück ausmalt.

Symphonie Nr. 3 Es-Dur »Eroica« (1802-04)
»Sinfonia eroica, composta per festeggiare il souvenire di un grand’uomo« (Heroische Symphonie zur Erinnerungsfeier an einen großen Menschen«) – so bezeichnete Ludwig van Beethoven seine 3. Symphonie, genannt »Eroica«, die am 7. April 1805 im Theater an der Wien ihre öffentliche Uraufführung erlebte. Vorangegangen war eine Privataufführung für den Widmungsträger Fürst Joseph von Lobkowitz in dessen Wiener Palais am 3. Jänner desselben Jahres. Die Zeitgenossen waren voll der Verwunderung. Die Anerkennung, die sie dem kreativen Kraftakt zollten, war mit einer gewissen Ratlosigkeit gemischt. Allein die Länge des Stücks – mit allen Wiederholungen nahezu eine Stunde – war völlig neu und ungewöhnlich. Angeblich rief ein Besucher von der Galerie: »Ich gäb’ noch einen Kreuzer, wenn’s nur aufhörte!« Aber auch die Leidenschaftlichkeit der Klangsprache sorgte für Erstaunen. Die Kritik in Kotzebues Zeitschrift »Der Freimütige« sprach von »seltsamen Modulationen und gewaltsamen Übergängen« und berichtete über die Reaktion: »Das Publikum und Herr v. Beethoven, der selbst dirigierte, waren an diesem Abend nicht miteinander zufrieden. Dem Publikum war die Sinfonie zu schwer, zu lang, und Beethoven selbst zu unhöflich, weil er auch den beifallklatschenden Teil keines Kopfnickens würdigte.«.

Um das Werk rankten sich bald Legenden. Beethoven wollte seine »Dritte« zunächst Napoleon Bonaparte zueignen. Als der Held der Französischen Revolution nach der Kaiserkrone griff, soll der republikanisch gesonnene Komponist die Widmung wutentbrannt zerrissen haben. Genauere Beweise dafür fehlen, da die zum Jahresbeginn 1804 vollendete Urschrift verschollen ist, aber dem Bericht von Beethovens Schüler Ferdinand Ries dürfen wir Glauben schenken, zumal diese Handlungsweise gut in das Persönlichkeitsbild des mit grimmigem Humor gesegneten Cholerikers Beethoven passt, hinter dessen widerborstiger, die Zeitgenossen oft verschreckender Oberfläche sich eine äußerst sensible und verletzliche Seele verbarg. Außerdem gibt es eine von Beethoven korrigierte Abschrift des Originals, in der die Worte »intitolata Bonaparte« offenbar ausradiert wurden, aber noch erkennbar sind. Die Thematik des »Heldischen«, des in einer angepassten Gesellschaft kämpfenden und siegenden heroischen Menschen, auch die des mythischen Helden beschäftigte Beethoven in dieser Zeit immer wieder. Es gibt eine markante Themenbeziehung zwischen dem 1801 geschriebenen Ballett »Die Geschöpfe des Prometheus« und dem Finalsatz der »Eroica«. Die Widmung der Symphonie an den Fürsten Lobkowitz hatte eher materielle Gründe. Wie weit Beethovens Lebenskrise rund um das »Heiligenstädter Testament« in der Musik hörbar wird, muss der Phantasie des Publikums überlassen bleiben.

Im ersten Satz, Allegro con brio, erklingt nach den beiden Tutti-Schlägen des Orchesters das eingängige Hauptthema; es stammt aus Mozarts frühem Singspiel »Bastien und Bastienne«, gewinnt aber durch chromatische Weiterführung einen völlig neuen, dynamisch drängenden Charakter. Der für damals ungewöhnlich lange Satz verblüfft mit scharfen Dissonanzen und lyrischen Klanginseln. Der »Held« ist jung, vital und hoffnungsvoll. Der zweite Satz, der berühmte Trauermarsch, lässt sich formal auf die zeitbedingte Mode der französischen Militärmärsche zurückführen. Was Beethoven aber daraus macht, sprengt alles Herkömmliche. Gerade in der Einfachheit der dreiteiligen Liedform liegt die zwingende Kraft dieser Musik. Stille Trauer, die sehnsuchtsvoll fragende Oboenmelodie und schicksalhaft, ja gewalttätig kriegerisch hereinbrechende Abschnitte schaffen ein weites, faszinierend vielschichtiges Panorama der menschlichen Gefühle und Leidenschaften. Beethovens Held ist hier immer auch Mensch, gegen Grenzen kämpfend, zweifelnd und die Schönheit suchend.
Auf das Versickern des Trauermarsches folgt der, oberflächlich gesehen, konventionellste Satz der Symphonie. Das relativ kurze Scherzo fegt wie ein turbulentes Intermezzo vorbei, bäumt sich gleichsam auf zu neuer Lebenslust. Im Trio bilden die drei Hörner ein romantisches Terzett – wie die Pause einer Jagdgesellschaft auf einer besonnten Lichtung.

Das außerordentlich dramatisch aufgebaute Finale ist ein Schritt in symphonisches Neuland. Die kunstvolle Verschmelzung von Fugen- und Variationstechnik erstaunt die Analytiker. Wesentlich ist aber, dass Beethoven hier eine in vielen Facetten ausgemalte Geschichte erzählt, die eben deshalb so spannend ist, weil wir sie nur erahnen können. Das Programm ist verborgen – ein »Heldenleben« zweifellos, voll überraschender Details, sich zu kraftvollem Pathos aufschwingend, aber die ersehnte Idylle nicht aussparend. Den Siegesfanfaren des abschließenden Presto-Teils ist das Plakative, fast Groteske eines totalen Siegs mit eingeschrieben. Das Licht leuchtet strahlend dem Helden, hinter dessen Glorie der Mensch zu verschwinden droht.

Gottfried Franz Kasparek


Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg

Die Kammerphilharmonie St, Petersburg, gegründet 1990 von Absolventen des renommierten und traditionsreichen St. Petersburger Staatskonservatoriums, ist zweifelsfrei einer der bedeutendsten musikalischen Botschafter seines Landes. Das Orchester demonstriert eindrucksvoll die unerschöpfliche Vielfalt an musikalischen Talenten sowie den hohen Ausbildungsstandard seines Heimatlandes….

Juri Gilbo, Dirigent

Juri Gilbo ist Chefdirigent der Russischen Kammerphilharmonie St. Petersburg. Es ist ihm gelungen, dem Orchester neue Maßstäbe zu setzen, es zu einem internationalen Spitzenorchester zu formen und einen unverwechselbaren Klang durch die Verbindung der legendären russischen Streicherschule mit den westeuropäischen…

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Die Sopranistin Nora Friedrichs, von der Fachzeitschrift »Das Opernglas« für ihre ‚blitzsauberen Koloraturen‘ gelobt und Gewinnerin des renommierten »Stella-Maris-Gesangswettbewerb«, war bis 2015 Mitglied im Opernstudio der Oper Frankfurt. Wichtige Highlights der Spielzeit 2019/20 waren ihr Debüt in der Elbphilharmonie Hamburg…

Ulrich Tukur, Rezitation

Ulrich Tukur kommt am 29. Juli 1957 im hessischen Viernheim zur Welt. Er wächst in Westfalen, Hessen und Niedersachen auf, macht im Rahmen eines Schüleraustauschs in Boston seinen Highschool-Abschluss und 1977 in der Wedemark bei Großburgwedel sein Abitur. Nach seinem…

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