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Showcase-Konzert mit dem Preisträger des diesjährigen Leopold-Mozart-Violinwettbewerbs Augsburg

Joshua Brown Violine
Verena Louis Klavier

Sergej Prokofjew (1891-1953)
Violinsonate Nr. 2 D-Dur op. 94b (1944)

Heinrich Wilhelm Ernst (1814-1865)
Grand Caprice für Violine allein »Der Erlkönig« op. 26 (1854)
nach der Ballade D 328 von Franz Schubert (1797-1828)

Clara Schumann (1819-1896)
Drei Romanzen für Violine und Klavier op. 22 (1853)

Franz Waxman (1906-1967)
Carmen-Fantasie für Violine und Klavier (1946)
nach der Oper »Carmen« von Georges Bizet (1838-1875)

 

Virtuosität und Gefühl

Sergej Prokofjews 2. Violinsonate in D-Dur war ursprünglich, nämlich bei der Uraufführung im Dezember 1943 in Moskau, eine Sonate für Flöte und Klavier op. 94. Dem mit Prokofjew befreundeten Geiger David Oistrach gefiel das Stück. Er regte den Komponisten zu einer Fassung für Violine an, die dieser auch prompt erstellte. In die Violinstimme sind sicher auch Anregungen des Solisten eingeflossen, wie es oft zwischen Prokofjew und seinen berühmten Interpreten geschah, die Klavierstimme blieb aber unverändert. Oistrach spielte die Violinfassung erstmals am 17. Juni 1944 mit dem Pianisten Lew Oborin in Moskau.

Betrachtet man die Jahreszahlen, könnte man meinen, diese Musik müsse von den grauenhaften Ereignissen des 2. Weltkriegs beeinflusst sein. Davon ist freilich nichts zu hören. Die Sonate ist weitaus weniger expressiv als ihre ebenso von Oistrach erstmals gespielte und in denselben Jahren komponierte »Schwester« in f-Moll op. 80. In vier traditionell aufgebauten Sätzen ereignet sich klar strukturierte, im Grunde diskret lebensvolle Musik – geradezu das Paradebeispiel einer neoklassischen Violinsonate, in ihrer transparenten Ausgewogenheit und für Prokofjew typischen, aber in diesem Fall nie auftrumpfenden Motorik der Sprache Bachs verwandt. Ein Stück, das den Virtuosen gibt, was sie brauchen. Ein Stück auch, welches beweist, dass »inneres Exil« in der Sowjetunion seinen Platz hatte. Unwillkürlich denkt man an die Spätwerke eines Richard Strauss, mehr noch eines Hans Pfitzner, der Prokofjew übrigens auch im Stürmen und Drängen der 1920er-Jahre verwandt war. Der sowjetische »Staatskomponist« schrieb von »durchgeistigter Verkörperung alter russischer Sagen«, lavierte, gefahrvoll genug, zwischen der Treue zur eigenen Kunst und der verlangten Stilistik des »sozialistischen Realismus« und fand in all den Zwängen einen ganz eigenen, spröden, oft faszinierenden und im Vergleich zu Schostakowitsch weniger tragisch-ironischen und mehr lapidar-abstrakten Altersstil. Dem ist bei allen Vorbehalten gegenüber politischer Willfährigkeit Respekt zu zollen.

Franz Schuberts Geniestreich »Der Erlkönig« D 328 nach Goethes berühmter Ballade entstand 1815 an nur einem Tag. Der aus Brünn stammende Heinrich Wilhelm Ernst war ein Geigen-Wunderkind und wurde einer der größten Geiger seiner Zeit. Nach Paganinis Vorbild komponierte er Virtuosenstücke, die an Schwierigkeiten die des Genuesers noch übertreffen. Schuberts dramatisches, aufregend modern wirkendes Tongedicht bildete das Gerüst für eine Caprice, die zum Schwersten zählt, was jemals für Violine komponiert worden ist. Der Geiger stellt sozusagen, den Vater, das Kind, den Erzähler und das dissonant galoppierende Pferd dar. Ein wilderer Ritt auf den Saiten ist kaum vorstellbar. Doch hatte Ernst durchaus auch Gespür für die musikalische Substanz der Vorlage, die in aller Brillanz durchschimmert.

Clara Schumann ist die wohl am besten dokumentierte und berühmteste Komponistin der Vergangenheit. Ihre schwierige Kindheit als Tochter des diktatorischen Klavierpädagogen Friedrich Wieck, ihre gefeierten Wunderkind-Auftritte, ihre gegen den väterlichen Willen erkämpfte Ehe mit dem fast ein Jahrzehnt älteren Robert Schumann, ihre innige Lebens-Freundschaft zum 14 Jahre jüngeren Johannes Brahms, der tragische Tod ihres Gatten in der Nervenheilanstalt Endenich am Rhein, ihre glanzvolle Tätigkeit als Pianistin bis ins hohe Alter, ihr ambivalentes Verhältnis zu ihren Kindern, deren Erziehung sie großteils ihrer Laufbahn opferte – das alles macht sie zur bis heute bestens bekannten Künstlerin, zum ebenso umstrittenen wie erfolgreichen »Star« aus einer Zeit, in der es nicht üblich gewesen ist, dass Frauen ihre Karriere dem Privatleben vorziehen. Das alles verdunkelt allerdings den Blick auf ihr relativ schmales kompositorisches Schaffen, das sich auf die Jahre 1828 bis etwa 1853 konzentriert, sieht man von wenigen späteren Gelegenheitswerken ab. Neben einem brillanten Klavierkonzert und einem gehaltvollen Klaviertrio entstanden Charakterstücke für ihr Instrument und bedeutende Lieder. Die drei Romanzen für Violine und Klavier, ihre letzten größeren Kompositionen, schuf sie 1853. Sie sind dem zum Schumann- und Brahms-Freundeskreis zählenden Geiger »Joseph Joachim freundschaftlichst gewidmet«. Mit Joachim hat sie selbst die aparten Stücke, gefühlvolle Salonmusik der edlen Art von femininem Reiz, oft öffentlich gespielt.

Freunde der modernen politischen Korrektheit haben wohl ihre liebe Not mit Bizets Meisterwerk »Carmen«. Wenn rauchende »Zigeunerinnen« mit bejubelten Stierkämpfern flirten und noch dazu die glühende Musik keine Tendenzen zeigt, daran Kritik zu üben, sondern sich auf die Leidenschaften und Laster einfach wertfrei einlässt, sind heutige Regisseure schwer gefordert. Wir aber können uns einfach gemütlich zurücklehnen und fern der Bühne die populären Opern-Melodien genießen, »die heiße Musik des Südens«, wie der Nordländer Brahms einmal gesagt hat. Franz Waxman (Wachsmann), aus rassischen Gründen 1938 in die USA vertriebener Filmmusikkomponist altösterreichischer Abstammung, hat die großen »Carmen«-Schlager zunächst für den Film »Humoresque« und dann als Suite für seinen Freund, den Stargeiger Jascha Heifetz, wirkungssicher bearbeitet.

Gottfried Franz Kasparek


Joshua Brown, Violine

Der Augsburger Leopold Mozart-Violinwettbewerb hat seine diesjährigen Gewinner bekannt gegeben. Den ersten Preis bei der 10. Ausgabe des internationalen Wettbewerbs erhielt der US-Amerikaner Joshua Brown. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert, außerdem ist er mit einer CD-Produktion verknüpft. Joshua…

Verena Louis, Klavier

Die Pianistin Verena Louis nimmt in der Welt der Klavierpartner einen festen Platz ein, wobei sie bei den Streichern und im Liedfach gleichermaßen zuhause ist. Geboren wurde Verena Louis in Paris, aufgewachsen ist sie in Frankreich, Deutschland und Portugal. Ihre…


 

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