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Klaus Maria Brandauer Rezitation
Sebastian Knauer Klavier

»Er will allweil seine Freiheit haben« – Eine literarisch-musikalische Reise von Salzburg über München nach Paris und zurück anhand von Wolfgang Amadeus’ Briefen an seinen Vater Leopold Mozart und Josef Bullinger, einen Freund der Familie Mozart, eingebettet in

Auszüge aus Mozarts Klaviersonaten
C-Dur KV 309, A-Dur KV 331, F-Dur KV 332, c-Moll KV 457 und das Ave Verum KV 618

 

Mozarts Sprache, nicht nur in Noten

»Es ist ein Briefwechsel, der ungeahnte Einblicke in das Leben eines Genies verschafft: Wolfgang Amadés schriftlicher Austausch mit seinem Vater Leopold Mozart und mit Josef Bullinger, einem Freund der Familie Mozart, erzählt die Geschichte einer Emanzipation in den Jahren 1777 und 1778. ‚Er will allweil seine Freiheit haben‘ lautet denn auch das Fazit von Leopold Mozart, nachdem sein hochbegabter Sohn sich immer weiter von ihm entfernt und seine eigenen Wege verfolgt hatte. Die musikalische Lesung von Klaus Maria Brandauer zusammen mit dem Pianisten Sebastian Knauer beleuchtet eben jenen Briefwechsel zwischen Vater und Sohn. Im Mittelpunkt des Abends steht eine Reise nach Paris, Wolfgang Amadé Mozarts erste Unternehmung ohne seinen Vater. Erstmals musste der junge Musiker ohne die prägende Figur zurechtkommen und auch das Ausbleiben von Erfolg und Anerkennung aushalten. Dazu stirbt in Paris die Mutter, die die Reise begleitet hatte. Die Briefe von Wolfgang Amadé Mozart offenbaren die Versuche, aufzubrechen, sich zu befreien und die gewonnenen Freiheiten gegen den Vater zu verteidigen.«

So weit der kluge offizielle Text zum Programm von Klaus Maria Brandauer und Sebastian Knauer. Der Schreiber der folgenden Zeilen hat sich allerdings erlaubt, immer statt »Amadeus« »Amadé« zu schreiben. Weil es den Amadeus nämlich in Mozarts Lebenszeit nur in wenigen lateinischen Dokumenten gibt – aber da müsste man auch »Wolfgangus« schreiben. Im Taufregister steht »Joannes Chrysostomus Wolfgangus« und die griechische Variante des »Gottgeliebten«, nämlich »Theophilus«. Die »Marke« Amadeus wurde erst postum entwickelt. Was das Wichtigste ist: W. A. hat sich mit zweitem Vornamen einfach nie Amadeus genannt, sondern, siehe seine Briefe, meist Amadé, vereinzelt Amadeo. Und oft beließ er es beim schlichten Wolfgang Mozart. Selbiges trifft auch auf Theaterzettel aus seiner Lebenszeit zu. Schauen wir die Briefe von der Reise nach Paris kurz durch, bestätigt sich dieses Bild. Dazu kommen vereinzelt »W: A.«, »W. Mzt.« und einmal sogar »Gottlieb«, die deutsche Theophilus-Variante. Und aus Mannheim am 5. Oktober 1777 an die Jugendliebe, die Cousine Maria Thekla, das »Bäsle-Häsle«, zeichnet er mit: »… der alte junge Sauschwanz Wolfgang Amadé Rosenkranz.« Letzteres wohl des Reimes wegen – oder vielleicht etwas ansprechend, das nur die Angesprochene verstehen konnte. Rosen sind die Blumen der Liebe.

Der biographischen Bedeutung von Mozarts Briefen auf der Reise nach und von Paris, wie oben umrissen, lässt sich nichts Wesentliches hinzuzufügen. Man könnte sich darüber wundern, dass der Tonfall nach dem Tod der geliebten Mutter schnell wieder heiter wird. Man versteht dies besser, wenn man weiß, dass ein Tod mit 58 Jahren anno 1778 etwa einem von heute mit 85 Jahren entsprach. Doch worin liegt die Faszination dieser Briefe aus dem 18. Jahrhundert, einmal abgesehen von den erhellenden, witzigen und geistreichen Bildern, die Mozart hier vom Musikleben in München, dem fast wie Salzburg heimatlichen und weniger als Salzburg verabscheuten Augsburg, des Vaters Geburtsort, vom damals künstlerisch hoch bedeutsamen Mannheim und von der Weltmetropole Paris entwirft? Wolfgang Amadé war ein famoser Briefschreiber, spielte leidenschaftlich mit der Sprache – nicht nur mit einer! – und liebte es, kecke Andeutungen zu machen, nicht nur die wohlbekannt derben dem »Bäsle« gegenüber.

Ein Aha-Erlebnis beim Lesen sei kurz herausgegriffen. W. A. wundert sich in Paris gar sehr, dass das Publikum zwischen den Sätzen seiner Symphonie nicht applaudiert. Ja, er ärgert sich darüber! Schreibt flugs einen neuen langsamen Satz, mehr dem Pariser Geschmack entsprechend, und siehe da, die Leute sind begeistert. Noch mehr aber freut er sich darüber, dass das Publikum mitten im Satz, nach der Vorstellung eines Themas, in »großes applaudissment« ausbricht! So ungezwungen ging es in der Klassik zu, als sie noch nicht so hieß. An diesem Abend, verehrtes Publikum, gibt es Einzelsätze aus Klaviersonaten zu hören – das Problem mit dem Klatschen zwischen den Sätzen wird sich also nicht wirklich einstellen. Sollte Ihnen ein Thema, eine Melodie, eine virtuose Passage so gut gefallen, dass sie Ihrer Begeisterung spontan wie heutzutage im Jazz Ausdruck geben wollen, dann haben Sie auf jeden Fall den Komponisten auf Ihrer Seite.

Die C-Dur-Klaviersonate KV 309 ist auf der Reise in Mannheim entstanden. Zum Andante gibt es ein Programm aus einem Brief: »Wie das Andante, so ist sie … ein sehr schönes artiges Madl. Sie hat für ihr alter sehr viell vernunft und gesetztes weesen; sie ist seriös, redet nicht viell, was sie aber redet, geschieht mit anmuth und Freundlichkeit.« Sie, das war Rosa, die Tochter des Komponisten Christian Cannabich. 13-jährige »Madln« durften anno dazumal übrigens ohne Probleme heiraten. Ob der 22-jährige Wolfgang Amadé in dieser »Gefahr« schwebte, bleibt der Phantasie überlassen. Erst 1783/84 veröffentlichte Mozart in Wien die A-Dur-Sonate KV 331, deren erster und dritter Satz (Alla Turca) zur besten Popmusik aller Zeiten gehören, Ja, Popmusik. Eine Trennung zwischen »ernster« und »unterhaltender« Musik wäre Mozart und Zeitgenossen als höchst absurd erschienen. Vermutlich in derselben Zeit und höchstwahrscheinlich in Paris 1778 entstand die F-Dur-Sonate KV 332. Wahrscheinlich wurden beide Werke schon in Paris von Mozart uraufgeführt – und zwar sicher nicht in der später gedruckten Form. Denn Wolfgang Amadé pflegte am Hammerklavier immer zu improvisieren. Wenn er eine seiner Sonaten dreimal hintereinander spielte, dann waren drei Varianten zu hören. Mit der c-Moll-Sonate KV 457 wandern wir ins Wien der Zeit um 1784, auch was die Komposition dieses den frühen Beethoven vorwegnehmenden Meisterwerks betrifft.

Das Ave verum corpus KV 618, datiert auf 17. Juni 1791 und wahrscheinlich für das Fest Fronleichnam und einen befreundeten Organisten in der Pfarrkirche St. Stephan in Baden bei Wien bestimmt, ist im Original eine kleine Motette für vierstimmigen Chor, Streicher und Orgel. Trotz der Kürze von nur 46 Takten ist das Stück in vielen Arrangements zu einem der populärsten Werke Mozarts geworden. Warum, das erklärt der visionäre Romantiker mit Lebensmittelpunkt Paris, Hector Berlioz, in seiner berühmten Instrumentationslehre: »Zu einem Andante (für Chorstimmen) in gehaltenen und sanften Tönen wird der Tonsetzer nur die Töne der Mittellage verwenden, da diese allein die geeignete Klangfarbe haben, mit Ruhe und Reinheit angegeben und ohne die geringste Anstrengung pianissimo ausgehalten zu werden. So hat es auch Mozart in seinem himmlischen Gebet ‚Ave verum corpus‘ getan.«

Gottfried Franz Kasparek


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