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Das exemplarische Klavierwerk als Bezugspunkt für die späteren Generationen

Bernd Glemser (Klavier)

Ludwig van Beethoven (1770- 1827)
– Sonate op. 14/1

Robert Schumann (1810-1856)
– Fantasie C-Dur op. 17

Franz Liszt (1811-1886)
– Sonate h-Moll

 

Ludwig van Beethovens neunte Klaviersonate in E-Dur stammt aus den Jahren 1798 und 1799 und ist einer seiner begabten Klavierschülerinnen in Wien, der Baronesse Josefa von Braun, gewidmet. Die beiden Sonaten op. 14 entstanden in der Zeit der »Pathetique«, zu der sie einen lyrischen Kontrast bilden. Die erste Sonate hat der Komponist zwei Jahre später in ein Streichquartett verwandelt. Schon als Klaviersonate zeichnet sich das Stück durch eigentümlich kammermusikalische Setzweise aus. An den Klavierbauer Johann Andreas Streicher hatte Beethoven 1796 geschrieben: »Die Art das Klavier zu spielen, ist noch die unkultivierteste von allen Instrumenten bisher, (…) und ich freue mich lieber, dass sie von den wenigen sind, die einsehen und fühlen, dass man auf dem Klavier auch singen könne.« Natürlich war es ein Hammerklavier, für welches Beethoven schrieb, wie übrigens auch noch Schumann und der junge Liszt. Doch die Instrumente entwickelten sich bis um 1860 stetig in Richtung modernes Klavier, gewannen an Volumen und romantischer Ausdruckskraft. Der Stuttgarter Streicher, ein Freund Friedrich Schillers und selber ein hervorragender Pianist, hatte 1794 in Wien eine Klavierwerkstatt eröffnet und war einer der Pioniere des innovativen Instrumentenbaus. Beethoven war an dieser Entwicklung hoch interessiert und um dramatische Akzente nicht verlegen, ja ging an und manchmal über die Grenzen des auf damaligen Klavieren Möglichen. Dennoch war ihm das gesangliche Element wichtig und so darf diese dreisätzige E-Dur-Sonate als ein Beispiel für seine lyrische Ader gelten. Es entsteht ein geistvolles Spiel mit Klangfarben, oftmaligen Lagenwechseln und differenzierter Dynamik. Dadurch entstehen sich abwechselnde Stimmen. Mit dieser »Kammermusik für Klavier« legte Beethoven Wegmarken für die Nachfolger Schumann und Liszt.

»Durch alle Töne tönet / im bunten Erdentraum / ein leiser Ton gezogen / für den, der heimlich lauschet.« Diese Strophe von Friedrich Schlegel gab Robert Schumann seiner monumentalen C-Dur-Fantasie als Motto. Von 1836 bis 1838 arbeitete er, in Nachbarschaft seiner Klaviersonaten, an diesem wirkungsmächtigen Stück, welches wie alle seine Musik von poetischen Bezügen durchzogen ist. Die Anregung dafür scheint Liszts Aufruf zur Errichtung eines Beethoven-Denkmals in Bonn gewesen zu sein. Ursprünglich sollte es eine Sonate mit den Titel »Ruinen, Trophäen, Palmen« werde, deren Verkaufserlös dem Monument zugute kommen sollte. Später sprach Schumann von drei Klavierdichtungen, nunmehr »Ruine, Siegesbogen, Sternbild« genannt. Doch war der biographische Hintergrund, der Kampf um die geliebte Clara, offenbar stärker. So beginnt der erste Teil, »durchaus phantastisch und leidenschaftlich vorzutragen«, mit einem Schrei der Verzweiflung, dessen aufwühlendes Thema in einen schwärmerischen Gesang mündet, der in eine erzählende Passage »im Legendenton« übergeht. In der Adagio-Coda wird beziehungsvoll Beethovens »Nimm sie hin denn, meine Lieder« aus dem Zyklus »An die ferne Geliebte« zitiert. Ein mächtiger Marsch mit der vieldeutigen Anweisung »mäßig, durchaus energisch« folgt, wird durch einen quasi »singenden« Mittelteil unterbrochen und endet als sieghafte Stretta. »Langsam, getragen, durchwegs leise zu halten«, so ist das versöhnliche Finale überschrieben, in dem vitale Steigerungen in ein in sich ruhendes, hoffnungsvolles Adagio im Piano münden.

Robert Schumann widmete 1836 Franz Liszt seine C-Dur-Phantasie. Nahezu zwei Jahrzehnte später revanchierte sich Liszt mit der Widmung seiner h-Moll-Sonate, einem weiteren Markstein in der Geschichte der Klaviermusik. 1853 hatte Liszt seine triumphale Karriere als Klaviervirtuose bereits beendet und stand als Hofkapellmeister in Weimar an der Spitze der musikalischen Avantgarde seiner Zeit. Richard Wagner, der andere große Neuerer, schrieb dem Freund nach dem erstmaligen Hören der Sonate: »Liebster Franz! Jetzt warst Du bei mir! Die Sonate ist über alle Begriffe schön, groß, liebenswürdig, tief und edel – erhaben wie Du bist.« Der Kritiker Eduard Hanslick vermeinte dagegen in dem die klassische Form sprengenden Stück »einen blutigen Kampf gegen alles, was musikalisch ist« zu vernehmen. Ungewöhnlich war nicht nur die – von Liszt ja gewohnte – exzessive Behandlung des Instruments zwischen lyrischer Emphase und perkussiver Gewalt, sondern die völlig neue Einsätzigkeit, in deren im Grunde monothematischen Konturen die Sonatenform nur mehr schemenhaft zu erkennen ist. Auf eine Art Exposition mit der Vorstellung des Materials folgt ein besinnlicherer Mittelteil, der in die mächtig aufrauschende Reprise mündet. Ein »Sprungmotiv«, ein »Hammerschlag« und ein »Grandioso« als Grundelemente kehren immer wieder. Alfred Brendel, der die Sonate als dramatische Erzählung begreift, hat insgesamt sechs miteinander verwandte Motive nachgewiesen und sieht das Werk als Tondichtung über Goethes »Faust«. Dass mehrmals auch der berühmte »Tristan-Akkord« mit seiner harmonischen Undurchsichtigkeit in der Luft liegt, darf beim Naheverhältnis von Liszt und Wagner, dessen Musikdrama »Tristan und Isolde« einige Jahre später entstanden ist, nicht verwundern. Der eigentliche Urheber dieser die Emanzipation der Dissonanz einläutenden Tonfolge war jedoch 1802 Ludwig van Beethoven in seiner Es-Dur-Klaviersonate op. 31/3 – ein Werk, das Liszt und Wagner mit Sicherheit kannten. Beethoven hatte den Akkord noch in einen Kadenzverlauf eingebunden, bei Liszt beginnt die Befreiung, die sich bei Wagner durchsetzen wird.

Gottfried Franz Kasparek


Bernd Glemser, Klavier

»Bernd Glemser ist der deutsche Klaviermagier seiner Generation, ein Wunder an Virtuosität bei gleichzeitiger künstlerischer Reife«, urteilt die »Badische Zeitung«. Auch vom »Klavierdichter« liest man in der Fachpresse immer wieder, die sich mit Lobeshymnen übertrifft, wenn es um den deutschen…

 

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