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Das ungleiche Duo Violine und Klavier bei Beethoven erstmals als Team gleichberechtigter Partner.

Benjamin Schmid (Violine)
Ariane Haering (Klavier)

Ludwig van Beethoven (1770-1827)
– Violinsonaten Nr. 4 a-Moll op. 23
– Violinsonaten Nr. 5 F-Dur op. 25 »Frühlingssonate«
– Violinsonaten Nr. 8 G-Dur op. 30/3
– Violinsonaten Nr. 10 G-Dur op. 96

 

Beethovens 4. Violinsonate in a-Moll op. 23 markiert 1800/01 gemeinsam mit der zeitgleich entstandenen »Frühlingssonate« das Ende der »Sonate für Klavier und Violine« als »Gelegenheitsstück«. Endgültig befinden sich nun die beiden Instrumente »auf Augenhöhe«, sind gleichberechtigte Partner. Die zwei Sonaten waren als eine Art Einheit gedacht und wurden ursprünglich beide als op. 23 veröffentlicht. Gewidmet sind beide Stücke dem Mäzen und Bankier Moritz von Fries, der übrigens 1826 katastrophal in Konkurs ging und das Vorbild für den Titelhelden in Ferdinand Raimunds Volksstück »Der Verschwender« war. Wer will, kann hier Bezüge zur Gegenwart entdecken. Um 1800 streute Graf Fries das Geld noch mit vollen Händen aus. Und Beethoven befand sich auf der Höhe seiner Sonatenkunst uns streute Einfälle und Neukreationen in Mengen aus. Das mysteriöse Dahinjagen im Presto des a-Moll-Werks reißt ebenso mit wie das bizarre »Andante scherzoso« (scherzhafte Andante), das jegliche meditative Stimmung verweigert. Im Finale wird die gehetzte Atemlosigkeit noch gesteigert. Doch auch dieser dramatische Satz endet, wie seine beiden Vorgänger, nach letztem Aufbäumen im lapidaren Piano.

Der Beiname »Frühlingssonate« für das Zwillingswerk in F-Dur stammt nicht von Beethoven, sondern wohl von einem findigen Verleger oder einem phantasievollen Solisten.. Stücke mit Namen verkauften sich einfach besser und die frohgemute und hoffnungsvolle Atmosphäre der vier Sätze kann durchaus Frühlingsgefühle auslösen. Der symphonische Anspruch zeigt sich auch in der Viersätzigkeit. In feiner Lyrik eröffnet die Violine den ersten Satz, der mit größter motivischer Kunst bald dramatischere Bereiche erricht. Im zweiten Satz, Adagio molto espressivo, hat das Klavier das erste Wort, ja im ganzen Satz dominiert das Tasteninstrument über die zart gesponnenen Einwürfe der Geige. Das eigentümliche Gebilde steht übrigens in einer »Barform«, was nichts mit einem Unterhaltungslokal, sondern, siehe auch Wagners »Meistersinger«, mit einer mittelalterlichen Kanzonenform (A-A-B) zu tun hat. Im knappen Scherzo lernen wir Beethoven, wie später in der Pastoralsymphonie bei den Dorfmusikanten und in der 8. Symphonie, als liebevollen, jedoch mitunter grimmigen musikalischen Spötter und Karikaturisten kennen. Denn Violine und Klavier spielen absichtlich »falsch«, sie klappern einander nach. Das wirbelnde Trio mit seinem ostinaten Bass kommt eindeutig aus der deftigen Abteilung der alpenländischen Volksmusik. Im ausgedehnten Rondo-Finale folgt auf eine anfängliche Verbeugung vor Mozart ein buntes Panorama, welches man wirklich mit der Blütenpracht eines Frühlingstages in Verbindung bringen kann.

Die dritte der Sonaten op. 30 in G-Dur ist von unbeschwerten Stimmungen erfüllt, die sorgfältig dosierte Virtuosität drängt sich nie auf, der Grundcharakter der Musik bleibt unterhaltsam und dezent. In oft erstaunlich ausgelassener, tänzerischer Laune zieht der erste Satz vorbei, gelegentliche Moll-Eintrübungen dienen nur dem Atemholen vor der nächsten fröhlichen Drehung. Beschwingt geht es im Mittelsatz weiter. Meisterhaft, wie Beethoven hier mit der alten höfischen Form des Menuetts lustvolle Spiele treibt, immer genau vor dem Abgleiten der Musik in schwermütigere Adagio-Bereiche der Bezeichnung entsprechend graziös umschwenkt und die schwerelose Melodieführung beibehält. »Leggiermente«, leichtfüßig, kommt das sprudelnde Thema des Finalsatzes daher, wird kunstvoll – sozusagen im Spiegel der Tonleiter – verarbeitet und bestimmt den Satz bis zum mitreißenden Schlussgalopp. Ein Beweis dafür, wie unverfroren heiter Beethoven mitunter sein konnte.

Die letzte Violinsonate Beethovens, in G-Dur op. 96, entstand 1812 und wurde dem Erzherzog Rudolph gewidmet, daher der nicht vom Komponisten stammende Beiname »Erzherzogsonate«. In angelsächsischen Ländern wird die Sonate dagegen mitunter »Cockcrow« genannt, also »Hahnenschrei«, was sich auf den Beginn bezieht, der mit einiger Phantasie an den Morgenruf des Herrn im Hühnerhof erinnert. In diesem mitunter als »undankbar« bezeichneten Stück zeichnet sich schon deutlich das Spätwerk des Komponisten ab. Die Klangstrukturen sind dicht, die Seitengedanken lyrisch und von großer Vielfalt, dagegen kontrastiert die sehr zurück genommene, introvertierte Schlichtheit der Oberfläche. Keine leidenschaftlichen Effekte, sondern zunehmende Resignation herrscht hier vor. Nicht künstlerische Selbstdarstellung, sondern wie mit Schleiern verhüllte Ausdruckstiefe und filigrane Stimmungsmalerei bestimmen den Gesamteindruck. Die melodische Prägung des ersten Satzes, Allegro moderato, weist voraus auf die großen Kammermusikwerke Franz Schuberts. Das feine Wechselspiel der Instrumente führt zu kunstvoll konstruierten Klangbildern voll unerwarteter Wendungen. Dem Adagio in Es-Dur sagt man zu recht »gelassene innere Größe« und subtile Kunst der Instrumentation nach. Ein Nachklang des stürmischen Jugendstils Beethovens ist das Scherzo mit seinem freundlichen Trioteil. Das Finale verwendet ein fröhliches, tänzerisches Thema, welches phantasievoll variiert wird, in sehr freier und mitunter sperrig und bizarr wirkender Manier. Ein meisterhaft figuriertes Adagio bildet den Mittelpunkt. Eine knappe Stretta und ein Fugato in g-Moll überraschen am Ende.

Gottfried Franz Kasparek


Benjamin Schmid, Violine

Der 1968 in Wien geborene Geiger studierte in Salzburg, Wien und Philadelphia und zählt zu den international erfolgreichsten Interpreten seiner Generation. In den Jahren 1985 bis 1992 gewann er u. a. den Londoner Carl Flesch Wettbewerb, und zwar gleichzeitig den…

Ariane Haering, Klavier

Die 1976 in Le Locle in der Schweiz geborene, in Salzburg lebende Pianistin studierte in ihrer Heimat und schloss 1992 mit Auszeichnung ab, danach besuchte sie Meisterklassen in den USA und in Lausanne. Sie gewann eine ganze Reihe wichtiger Preise,…

 

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