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Benjamin Schmid und Freunde spielen zwei Meisterwerke des klassischen und zeitgenössischen Repertoires – auch eine Hommage an einen jüngst Verstorbenen.

Benjamin Schmid (Violine), Thomas Selditz (Viola), Enrico Bronzi (Violoncello), Christine Hoock (Kontrabass), Hervé Joulain (Horn), Ib Hausmann (Klarinette), Philipp Tutzer (Fagott), Ariane Haering (Klavier)

Ludwig van Beethoven (1770-1827)
– Violinsonate Nr. 1 D-Dur op. 12/1

Krzysztof Penderecki (1933-2020)
– Sextett für Klarinette Horn, Streichtrio und Klavier (2000)

Ludwig van Beethoven (1770-1827)
– Septett für Klarinette, Horn, Fagott, Streichtrio und Kontrabass Es-Dur op. 20

 

Ludwig van Beethoven widmete seine ersten drei Violinsonaten op. 12, erschienen 1797/98, seinem verehrten Lehrer Antonio Salieri. Wie alle zehn Gattungsbeiträge Beethovens sind auch diese als »Sonaten für Klavier und Violine« bezeichnet, entsprechend der Tradition seit dem Barock – erst in der Romantik eroberte die Geige den ersten Platz. Wie schon in den späteren Sonaten Mozarts sind jedoch auch bei Beethoven die beiden Instrumente gleichberechtigte Partner, also ist die Reihenfolge austauschbar. Ein fanfarenartiges Unisono-Motiv beider Instrumente, in seiner markanten Rhythmik typisch für den Komponisten, eröffnet den energischen ersten Satz der ersten Sonate. Das damit verwandte Seitenthema führt zu einem bewegten Wechselspiel der Stimmen. »Schwer beladen mit ungewöhnlichen Schwierigkeiten«, wie eine frühe Kritik meinte, erscheint uns diese mitreißend jugendliche Sonate nicht mehr; auf die Zeitgenossen wirkte sie in ihrer Expressivität jedoch wie »Neue Musik«. Dazu trugen auch formale Experimente wie der knappe Schluss des Kopfsatzes ohne Coda bei.
Im Mittelsatz zeigt sich Beethoven bereits als Meister der Variation. Das liedhafte Thema wird von beiden Instrumenten vorgestellt und anschließend viermal variiert. Zunächst hat das Klavier quasi das Sagen, dann die Violine, ehe in der dritten und vierten Variation geistvolle Dialoge entstehen und eine wie eine Improvisation anmutende Coda den Satz beschließt. Das Rondo-Finale ist voll klassischer Heiterkeit, die freilich effektvoll kontrastiert wird, denn im Mittelteil gibt es weit schwingende Melodik, »dolce«, also »süß« zu spielen. Dies erinnert vielleicht daran, dass Salieri vor allem der Vokalmusik-Lehrer Beethovens war.

»Ich habe Jahrzehnte damit verbracht, neue Klänge zu suchen und zu finden«, so Krzysztof Penderecki, der bedeutendste polnische Komponist der Zeit nach 1945. »Gleichzeitig habe ich mich mit Formen, Stilen und Harmonien der Vergangenheit auseinandergesetzt. Beiden Prinzipien bin ich treu geblieben… Mein Schaffen ist eine Synthese.« Aus dem avantgardistischen Himmelstürmer der 60er-Jahre wurde der Meister des »Polnischen Requiems«, welcher Innovation und Tradition in höchst eigentümlicher Weise verbinden konnte.
Mit Kammermusik in traditionellen Besetzungen beschäftigte er sich erst seit etwa 1985. »In der Kammermusik erkennt man die eigentliche Größe eines Komponisten; sie ist wie eine Entblößung: Wenn einer nichts zu sagen hat, hört man es sofort.” Dies meinte er anlässlich der Uraufführung seines Sextetts am 7. Mai 2000 im Wiener Musikverein. Und er hatte was zu sagen! Für die spezielle Besetzung gibt es einen Vorläufer, das Sextett des ungarischen Spätromantikers Ernst von Dohnányi. Lassen wir Penderecki selbst über sein Stück zu Wort kommen: »Das Sextett ist ein typisches Werk des Jahrhundertendes, indem es sich auf die Erfahrungen des ganzen 20. Jahrhunderts bezieht, in welchem verschiedene Stile entstanden sind. Die Meilensteine, die geblieben sind, sind Strawinsky, Bartók und Schostakowitsch in seiner Kammermusik. Diese Musik ist mir näher als z. B. Messiaen oder der Zwölftonkreis; diese sind mir zu fremd, ich bin doch ein slawischer Komponist, dem es um die Übermittlung des eigenen Gefühls, des Ausdrucks geht; die Claritas in der Konstruktion ist sehr wichtig, aber ich habe keine Angst vor der persönlichen Note.«
Ist es also Neoromantik? »Man kann jeden langsamen Satz als romantisch ansehen; auch in meiner Dritten Symphonie ist das Adagio romantisch, aber das ist die Romantik, die es immer gibt, in langsamen Sätzen von Beethoven oder Mozart oder auch bei Bach. Die Bezeichnung Romantik weist eher auf den Charakter des Werkes, nicht den Stil selbst.« Der erste Satz, leise vom Klavier und vom Cello begonnen, wird zu einem bizarren Scherzo mit einer Solokadenz des Horns und Walzerthemen im Klavier, zum rhythmisch mitreißenden Dialogspiel der sechs Instrumente. Im weit atmenden Larghetto bringt das Zwiegespräch zwischen dem hinter der Szene befindlichen Horn und den fünf Partners eine neue Dimension. Satz und Werk klingen schließlich in ätherischen Non-vibrato-Akkorden mit den con sordino (mit Dämpfern) spielenden Streichern ruhevoll aus.

Als Ludwig van Beethovens »sparsamst instrumentierte Symphonie« oder als sein »aufwendigstes Stück Kammermusik« gilt das Septett op. 20, komponiert 1800. Die Besetzung mit Streichern und Bläsern macht es zudem zum direkten Vorbild von Schuberts berühmtem Oktett. Die lockere Form der Serenade steht Pate, doch wird sie mit meisterhafter klassischer Form verbunden. Galanterie und Gelehrtheit verschränken sich in dieser Musik in genialer Art. Kaum zu glauben, dass Beethoven in diesen Jahren zunehmend unter seinem »neidischen Dämon«, seiner »schlimmen Gesundheit« zu leiden begann und immer mehr Hörprobleme hatte. Die im Brief an einen Freund 1801 angesprochene Resignation – »welches elende Zufluchtsmittel« – begriff er aber als Hilfe, um »wenn’s möglich ist, meinem Schicksal zu trotzen.«
Das Septett wurde am 2. April 1800 in Beethovens erster Akademie – wie man damals öffentliche Konzerte nannte – im Wiener Hofburgtheater gemeinsam mit seiner 1. Symphonie uraufgeführt, fand starken Beifall und wurde schnell populär. Die sechs Sätze stecken voll prallem Musikantentum, doch sind sie ebenso von neuer Ausdruckskraft erfüllt. Symphonisch und doch leicht kommt der erste Satz daher, nachdenklich und gesanglich das Adagio cantabile, in dem, beginnend mit der Klarinette, alle Instrumente ihr Solo haben. Liebenswürdig altertümlich erklingt das Menuett, dessen Thema von Beethoven in der Klaviersonate op. 49/2 nochmals verwendet wurde.
Der kunstvolle 4. Satz enthält übrigens einen volkstümlichen Gruß des Komponisten an seine Heimat: Das Thema der fünf phantasievollen Variationen ist ein altes Lied der Rheinschiffer, wie es der Knabe Beethoven in Bonn oft gehört haben mag. Es folgt ein vom Horn eingeleitetes, quicklebendiges Scherzo samt tänzerischem Trio. Das energisch vorangetriebene Finale mit seinen Marschrhythmen strotzt nur so vor wirkungsvollen Einfällen.

Gottfried Franz Kasparek


Benjamin Schmid, Violine

Der 1968 in Wien geborene Geiger studierte in Salzburg, Wien und Philadelphia und zählt zu den international erfolgreichsten Interpreten seiner Generation. In den Jahren 1985 bis 1992 gewann er u. a. den Londoner Carl Flesch Wettbewerb, und zwar gleichzeitig den…

Thomas Selditz, Viola

Thomas Selditz stammt aus einer Musikerfamilie und studierte an der Hanns Eisler Musikhochschule in Berlin bei Alfred Lipka. Bevor er 2010 als Professor für Viola an die Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien berufen wurde, unterrichtete er als Professor…

Enrico Bronzi, Violoncello

Der italienische Cellist Enrico Bronzi, geboren 1973 in Parma, ist seit 1990 Mitglied des »Trio di Parma«, mit dem er weltweit erfolgreich gastiert und viele Preise gewonnen hat, darunter den Kritikerpreis »Prmio Abbiati«. Auch als Solist erhielt er besondere Auszeichnungen,…

Christine Hoock, Kontrabass

Schon früh war Christine Hoock als begeisternde Solistin, Orchester- und Kammermusikerin erfolgreich. Ihre Studien absolvierte die internationale Preisträgerin mit Auszeichnung bei Günter Klaus in Frankfurt am Main und bei Franco Petracchi in Genf. Bei ihrer Tätigkeit als Solokontrabassistin im WDR…

Hervé Joulain, Horn

Hervé Joulain wurde mit nur 20 Jahren Solo-Hornist  des Orchestre Philharmonique de Radio France, ehe er 1997 die gleiche Position beim Orchestre National de France übernahm. Er spielte unter so bedeutenden Dirigenten wie Leonard Bernstein, Zubin Metha, Daniel Barenboim, Pierre…

Ib Hausmann, Klarinette

Ib Hausmann ist begeisterter Interpret klassischer und zeitgenössischer Musik. Zu seinen musikalischen Freunden gehören Iris und Lukas Hagen – gemeinsam gründeten sie das Ensemble Serapion – und Dénes Várjon, Alexander Lonquich, Aleksandar Madžar, Clemens und Veronika Hagen, Daniel Hope und…

Philipp Tutzer, Fagott

Philipp Tutzer wird in Bozen geboren und lernt am dortigen Konservatorium »Claudio Monteverdi« von Claudio Alberti das Fagott zu spielen. Er studiert weiters an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien bei Stepan Turnovsky und an der Hochschule für…

Ariane Haering, Klavier

Die 1976 in Le Locle in der Schweiz geborene, in Salzburg lebende Pianistin studierte in ihrer Heimat und schloss 1992 mit Auszeichnung ab, danach besuchte sie Meisterklassen in den USA und in Lausanne. Sie gewann eine ganze Reihe wichtiger Preise,…

 

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